Alexis Tsipras, Führer der radikallinken griechischen Bewegung Syriza, hat die Aufkündigung des Sparpakts mit der EU und dem IWF angekündigt. Der heimliche Gewinner der Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag ist derzeit mit der Regierungsbildung in Athen beauftragt. Noch ist unsicher, ob es sich nur um Säbelrasseln im Zuge schwieriger Verhandlungen zur Anbahnung einer neuen Koalition handelt – doch auch ein tatsächlicher Crashkurs Richtung Euro-Austritt läge durchaus auf seiner im Wahlkampf vertretenen Linie.
Nach Lesart seines Sprechers Panagiotis Lafazanidis haben die Wähler in Griechenland am Sonntag die Annullierung des Sparprogramms beschlossen, da sie den Parteien der alten Regierung die Mehrheit entzogen. Offenbar handelt es sich bei dieser Aussage um mehr als nur Geplänkel, denn Tsipras plant nach Informationen enger Mitarbeiter, dies der EU-Kommission und der EZB kurzfristig auch schriftlich mitzuteilen.
Bislang nur Symbolpolitik
Nun ist Tsipras derzeit ja nicht mehr als der Chef der größten Oppositionspartei Griechenlands und noch sieht es so aus, als würde es auch so bleiben. Das Wahlergebnis vom Sonntag ist wenig eindeutig. Das Tsipras genug Partner für eine Mehrheit im Parlament auf seine Seite ziehen könnte, ist jedoch so gut wie ausgeschlossen. Seine Bemühungen, eine parlamentarische Mehrheit zu organisieren, musste er nach nur 24 Stunden aufgeben. Von daher bliebe ein solches Schreiben ein reines Signal, ohne bindende Wirkung und ohne jede völkerrechtliche Relevanz.
Doch dieses Signal an sich ist schon mehr als verheerend. Griechenland, das bekanntermaßen am finanziellen Tropf der EU hängt, benötigt zur Aufrechterhaltung seiner Zahlungsfähigkeit bis Ende Juni 30 Milliarden Euro, so heisst es. Da das Vertrauen der Anleger ohnehin zerstört war, blieb als einziger Hoffnungsschimmer der Glaube Brüssels an die Zuverlässigkeit der mit Griechenland vereinbarten Sparprogramme.
Das wird auch Tsipras wissen, und er ist sich wohl auch bewußt, dass er für den Fall seiner Ministerpräsidentschaft auf dieses Geld angewiesen wäre, will er sein Land nicht 4 Wochen nach Amtsantritt in ökonomischem Chaos untergehen sehen. Das den scharfen Worten auf Sicht ein entsprechendes politisches Handeln folgt, ist also eher unwahrscheinlich.
Naheliegender ist es, einen politischen Schachzug anzunehmen, bei dem Tsipras im Falle des Erfolges direkt in mehrere Richtungen seine Handlungsoptionen erweitert. Erstens mag es sein, dass er damit seinen Gesprächspartnern bei den Sozialisten und Konservativen den Weg zu einer Einigung ebnen wollte. Hätte er sich in harten Verhandlungen von ihnen Zugeständnisse abringen lassen, so hätten sie es ihren Wählern als Rettung des Vaterlandes verkaufen können. Diese Rechnung ging jedoch nicht auf.
Gleichzeitig aber mag Tsipras darauf hoffen, mit entschlossenem Auftreten wenigstens kleine Zugeständnisse von Brüssel zu erpressen. Sollte er Ministerpräsident werden, wird er zumindest Minimalkorrekturen am Sparpaket vorweisen müssen, um seine Anhänger von einer Revolte abzuhalten.
Aber auch für den wahrscheinlichsten Fall, dass die Sitzverteilung im neuen Athener Parlament gar keine Regierungsbildung zulassen wird und sehr kurzfristig – noch vor Ende Juni – Neuwahlen durchgeführt werden müssen, wird er mit dem starken Auftritt punkten können. Er hätte bewiesen, dass er nach der Wahl durchaus durchzusetzen versuchte, was er im Wahlkampf versprach.
Spiel mit dem Feuer
Gut möglich also, dass es nur um Machtpoker geht, der Tsipras im Machtkampf innenpolitisch durchaus noch zugute kommen könnte. Ob sein Spiel mit dem Feuer aber wirklich aufgehen kann, ist mehr als ungewiss. Die Signale der europäischen Partner sind unmissverständlich: Es wäre schade, wenn Griechenland Nachverhandlungen fordern und deshalb den Euroraum verlassen müsste. Das ist die diplomatische Form der Ankündigung einer roten Linie für Tsipras, eine Aufweichung der Sparziele wird nicht verhandelbar sein. Laut Umfragen wollen aber 80% der Griechen an der Gemeinschaftswährung festhalten.Wer beim Poker nicht nur ein schlechtes Blatt sondern auch keinen Einsatz mehr hat, kann nicht bluffen.Er wird verlieren.